VW Golf im Sinkflug
Gerald Balser, 5. Februar 2023
Bildquelle: VW AG
VW hatte es in den 70er-Jahren geschafft, mit dem VW Golf einen echten Nachfolger für den legendären VW Käfer auf den Weltmarkt einzuführen. In Deutschland wurder der VW Golf so erfolgreich, dass man die Kompaktklasse sehr häufig auch als "Golf-Klasse" bezeichnete. Jedes neue Modell dieser Klasse wurde am VW Golf gemessen.
Seit wenigen Jahren befindet sich die Automobilindustrie weltweit in einem Prozess des Umbruchs. Aus umweltpolitischen Gründen soll der Verbrenner durch das E-Auto ersetzt werden. In der EU darf ab 2035 kein neuer Benziner bzw. Diesel verkauft werden. Die deutsche Automobilindustrie wird wahrscheinlich nicht so lange warten. Es macht keinen Sinn, Milliarden an Entwicklungskosten weiterhin in eine sterbende Technologie zu stecken. Der Fokus liegt auf neue E-Autos. Was wird aber aus dem erfolgreichen VW Golf? Der wurde über die Jahre immer besser. Dennoch, die Berichte des KBA über die Neuzulassungen in Deutschland zeigen seit Jahren für den VW Golf einen eindeutigen Trend nach unten. Lagen die Neuzulassungen für den VW Golf im Jahr 2016 noch bei 235.935 Fahrzeugen, wurden im Jahr 2022 nur noch 84.282 Fahrzeuge neu zugelassen. Dies nennt man einen Absturz. Und trotzdem ist in Deutschland der VW Golf aktuell immer noch eines der meistverkauften Modelle.
In Alter und Absatz hat er sein Vorbild, den VW Käfer, sogar weit übertroffen. Aber alles hat seine Zeit. Im nächsten Jahr, also im Jahr 2024, feiert der VW Golf seinen 50. Geburtstag. Sein Konzept, ein unauffälliges und zeitloses Design gepaart mit exzellenter, zuverlässiger Technik, also ein Modell für die unterschiedlichsten Zielgruppen zu sein, hat deutlich an Attraktivität verloren. (Dies gilt übrigens auch für den VW Polo.) Die Käufer von kompakten Autos verlangen heute mehr Raum auf gleicher Fläche, was ein E-Auto bieten kann, und eine höhere Sitzposition für einen bequemen Ein- und Ausstieg, wofür das SUV prädestiniert ist. Diese Konkurrenz hat der VW natürlich auch mit VW ID.3 und VW T-Roc im eigenen Haus. Der ID.3 wurde sogar etwas voreilig von VW als Nachfolger des Golf bezeichnet. Tatsächlich scheint dies aber eher der VW T-Roc zu werden.
Das KBA arbeitet bei seiner Statistik nicht mit einzelnen Modellen, sondern mit Modellreihen. Z. B. werden alle Modelle der Marke Mini zu einer einzigen Modellreihe mit entsprechend hohen Zulassungszahlen zusammengefasst. Diese Vorgehensweise hätte sich VW auch zunutze machen können. Durch einen Verzicht auf Betonung der Eigenständigkeit und die scharfe Trennung seiner neuen Modelle gegenüber dem VW Golf hätten die Namen, wie z. B. ID.Golf und T-Golf den aktuellen Niedergang der Zulassungszahlen und den damit verbundenen Imageverlust des VW Golf verhindern können. Darüber hinaus kann ich nicht nachvollziehen, dass VW einen für die gesamte Marke so wertvollen Produktnamen ohne Not einfach auslaufen lässt.
Einen weiteren Grund für die rückläufigen Verkaufszahlen des VW Golf möchte ich nicht verschweigen und dies ist der für seine Klasse, die Kompaktklasse, relativ hohe Preis. Das Grundmodell des VW Golf kostet aktuell 29.560 €, sein SUV-Derivat, der VW T-Roc, aber nur 24.345 €, der nicht sehr viel kleinere VW Polo (gleiches Konzept) sogar nur 19.925 €. Zugegeben, preislich hatte es der VW Golf von Anfang an schwer, denn er wird im Stammwerk in Wolfsburg hergestellt. Dort sind die Produktionskosten mit Abstand die höchsten im Hause VW und trotz des üppigen Preises macht VW mit dem so erfolgreichen Modell kaum Gewinne. Was mir allerdings völlig unverständlich ist, dass das in den Abmessungen eine Klasse darüber liegende Kombi, der VW Golf Variant, mit einem Grundpreis von 28.800 € fast 1.000 € billiger als seine kleinere Basis ist. Auch der VW Golf Variant wird in Wolfsburg hergestellt.