Prof. Dr. Carl H. Hahn,
Automanager und Mäzen, ist von uns gegangen
Ein sehr persönlicher Nachruf.
Gerald Balser, 15. Januar 2023
Heute Morgen hörte ich es im Radio: Prof. Dr. Carl H. Hahn, der langjährige Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG, ist gestern, am 14.01.23 in seinem Hause in Wolfsburg sanft entschlafen. Unerwartet kam die Nachricht für mich nicht. Vor nunmehr fast 50 Jahren war Herr Dr. Hahn als Vorstand Absatz im Volkswagenwerk Wolfsburg mein Chef und ich stand mit ihm immer noch in regem E-Mail-Kontakt. In diesem Jahr blieben erstmals die guten Wünsche zu Weihnachten und dem Neuen Jahr aus. Meine Gedanken waren voller Sorgen, leider zurecht.
Ich war damals in der erst vor wenigen Jahren eingerichteten winzigen Marketingabteilung tätig. Nach Ansicht der bei VW den Ton angebenden Technikern war das Marketing eine völlig überflüssige Abteilung. Die waren davon überzeugt, wer gute Autos baut, braucht kein Marketing. Es war der Verdienst von Dr. Hahn, dem Marketinggedanken bei VW, also dem Denken aus der Sicht des Kunden, Gehör zu verschaffen.
Ich trauere um einen großartigen Chef, einen treuen väterlichen Freund und um einen privat sehr bescheidenen Menschen, der mir zum Vorbild wurde. Trotz aller Trauer bin ich froh und glücklich, dass Prof. Hahn seinen Geist und Körper bis ins hohe Alter beneidenswert fit halten konnte. Nun ist er mit 96 Jahren gestorben.
Auf der IAA konnte er stundenlang, auf den Ständen der Konzernmarken stehend, fachsimpeln. In seinem sportlich-schicken Slim-Anzug mit modischem Karohemd wirkte er geradezu jugendlich. Er hatte immer noch viel Spaß am Autofahren. Eigenhändig fuhr er zur IAA nach Frankfurt. Prof. Hahn hatte als Sohn eines der Gründer der Auto-Union Benzin im Blut. Dennoch klebte er nicht unbeugsam am Konzept Verbrenner. Er war kein Ideologe, immer Pragmatiker. Von seinem VW-Elektroauto, dem ID.3 war er regelrecht begeistert.
Sein Interesse galt aber nicht nur dem Auto. Wichtig war ihm seine Carl und Marisa Hahn-Stiftung in Wolfsburg. Seine Sorge galt den deutschen Schulen. Deutschland, ein Land ohne große Bodenschätze, habe im Wettbewerb der Länder nur eine Ressource, der Mensch und dessen Wissen und Bildung. Sein Credo war die frühkindliche Bildung, insbesondere die zweisprachige Erziehung und ein an der beruflichen Praxis orientierter Unterricht. Herr Prof. Hahn wurde tätig und gründete an mehreren Standorten Sachsens die „Saxony International School Carl Hahn“. Für seine ehemalige Heimatregion hatte er ein großes Herz und bereits zu DDR-Zeiten versuchte er, Sachsen wirtschaftlich zu fördern. Unter seinem Einfluss investierte VW nach der Wende in der Region Zwickau Milliarden in Produktionsstätten und wurde zum größten Arbeitgeber.
Seine Leidenschaft im Winter war der Engadin-Ski-Marathon. Erst in den letzten Jahren reduzierte er auf halbe Strecke. Die Fitness und sein langes, gesundes Leben habe er vor allem seinem Fitness-Trainer zu verdanken, gab er offen und ehrlich zu. Es war eine Freude, mit welchem Genuss er vor dem Langlauf-Training sein Frühstück in aller Ruhe in seinem Schweizer Hotel zelebrierte. Erst COVID beendete seine Teilnahme.